Eine andere Wanderbewegung der Juden, die schon vor dem Jahr 70 n.Chr. begonnen hatte, ließ einige Juden den römischen Handels- und Heerwegen bis nach Nordeuropa folgen und noch im damaligen römischen Reich Gemeinden in alten römischen Siedlungen wie Worms, Speyer, Trier und Köln gründen. Vermutlich sind manche jüdische Gemeinden in Nordeuropa sogar noch älter als christliche Gemeinden, zumindest aber sind sie genauso alt. Es waren die ersten Kreuzzüge im Jahr 1096, die verheerende Verwüstungen unter den jüdischen Gemeinden in Worms, Mainz und Trier anrichteten. Hier war es vor allem der Bischof von Mainz der das wirtschaftliche Erblühen der jüdischen Gemeinde in seinem Bistum mit Neid und Argwohn beobachtete - Pfründe, die ihm und seiner Kirche entgingen, da die Juden selbstverständlich nicht den Zehnten an die Kirche entrichteten. Unter dem Vorwand, die Juden seien Christusmörder und als Brunnenvergifter für mancherlei Krankheiten wie die Pest verantwortlich, ließ er die Kreuzfahrer auf dem Weg ins Heilige Land in den jüdischen Gemeinden seines Bistums morden und brandschatzen.
Der Kreuzzug von 1096 löste die erste große Fluchtwelle ganzer jüdischer Gemeinden gen Osteuropa aus, der noch weitere bis ins 15.Jhdt. folgen sollten. Besonders die Laterankonzile des 13.Jhdt., die immer stärkere Ausgrenzungen der Juden aus Gewerbe und öffentlichem Leben zur Folge hatten, zwangen viele Juden nach Osteuropa abzuwandern. Vornehmlich in Prag und noch weiter in Polen lassen sich die ersten jüdischen Gemeinden nieder. | Der polnische Staat konsolidierte sich aus Slavenstämmen, die im 9./10.Jhdt. auf beiden Ufern der Weichsel siedelten. Während seiner ersten Entwicklungsstadien war diese Region dünn besiedelt, ca. 4-5 Menschen lebten auf einem Quadratkilometer. Beträchtliche Teile des Landes waren völlig unbewohnt und bestanden zu einem beträchtlichen Teil aus Sümpfen und Wäldern. In den bewohnten Gebieten lebte die Bevölkerung von Kleinlandwirtschaft unter dem Schutz ihrer Feudalherren, die auf den Burgen Ihrer Grundherren saßen und von dort die Gegend beherrschten.
Es war das Königshaus der Piasten, die die aus Westeuropa kommenden Juden mit offenen Armen willkommen hießen. Versprachen sie sich doch von der Ansiedlung weltbewanderter und handelsbeflissener Juden einen wirtschaftlichen Aufbruch ihres Landes und den Ausbau ihrer Handelsbeziehungen. Überdies waren ihnen die Juden mit ihrer Sprachbegabung willkommene Schreiber und Kämmerer bei Hofe, die durch ihre Unabhängigkeit von der Kirche auch den oft analphabetischen Fürsten ein wenig Unabhängigkeit bescherten, waren diese doch fortan nicht mehr auf lese- und schreibkundige Mönche angewiesen. |